Drei Tage nach unserem Besuch in Palästina begannen die Angriffe der israelischen Armee gegen Palästina in Hebron und die Bodenoffensive gegen den Gazastreifen. Voller Entsetzen und Empörung haben wir diese Entwicklung verfolgt und verurteilen sie. In Solidarität mit dem palästinensischen Volk schicke ich Euch unseren Bericht. Er wurde auch schon in der „Roten Fahne“ veröffentlicht.
Wir erlebten in einer kleine Reisegruppe aus Traumatherapeuten und weiteren an Palästina Interessierten im so genannten „Heiligen Land“ 10 spannende Tage. Seit 2011 gibt es ein Traumahilfezentrum in Betlehem, das von einer jungen palästinensischen Frau geleitet wird und von deutschen Traumatherapeuten fachlich intensiv unterstützt wird. Wir besuchten die wichtigsten Orte und Sehenswürdigkeiten der Kirchengeschichte und des fortwährenden Kampfes um Einflussgebiete der damaligen und heutigen Herrscher über dieses wunderschöne Land. Besonders bedrückend waren die Flüchtlingslager, wo auf engstem Raum die Familien zusammengepfercht leben, der „Fußballplatz“ nur die Größe von 16 qm hat. Gleichzeitig waren wir in einem Lager in Nablus tief beeindruckt von der guten Organisation des Zusammenlebens, dem Zusammenhalt und der Kindererziehung, mit besonderem Schwerpunkt auf Bildung. Ihre Zukunftsvorstellung aber ist, wieder in ihre angestammten Dörfer zurück zu kehren, die jedoch fest in israelischer Hand sind. Außerdem leben sie unter der ständigen Bedrohung israelischer Angriffe, die Schusslöcher des letzten waren noch gut zu sehen. Das alles bewirkt eine lähmende Stimmung. Im ganzen Land ist die Unterdrückung und das Fehlen der einfachsten demokratischen Rechte wie Bewegungsfreiheit in Palästina allgegenwärtig: Überall mitten in den Städten gibt es Check-points mit sehr jungen Soldaten, immer scharf bewaffnet mit M 16 Gewehren. Die Mauer, bisher schon 460 km lang, zerteilt die palästinensischen Gebiete in kleine Stücke. Dort sprechen die Palästinenser von einem Schweizer Käse, so sei die A-Zone – die sogenannten autonomen Gebiete - von der israelischen Besatzungsmacht zersetzt. In der C-Zone herrscht rein das Besatzungsrecht der israelischen Regierung. In Bethlehem trafen wir zweimal Demonstrationen mit kleinen Straßenblockaden von jungen Palästinensern zur Hauptverkehrszeit mit der Forderung „Freilassung aller politischer Gefangenen“. Wir lernten palästinensische junge Friedenskämpfer kennen, die regelmäßig mit jungen Israelis über die staatliche Gewalt gegen das palästinensische Volk sprechen, sich kennenlernen und eine Friedensarbeit in ihren jeweiligen Bereichen machen. Einer davon war ohne Prozess wegen Teilnahme an einer Demonstration 2 Jahre im Gefängnis gewesen, sein Zwillingsbruder wurde von israelischen Soldaten verletzt und ist heute noch gehbehindert, sein Onkel von den Israelis ermordet. Die zugespitzteste Erfahrung konnten wir am Pfingstsonntag in Hebron machen, wo wir eine palästinensische Familie besuchten und von aggressiven israelischen Siedlerkindern mit Steinen beworfen wurden. Nachdem wir die Kinder zur Rede stellten, kam eine Soldat der ihnen nur lapidar sagte ,“werft lieber keine Steine“. Hätte der Palästinenser Steine zurückgeworfen, wäre es durchaus möglich gewesen, dass der Soldat geschossen hätte. So sind in letzter Zeit einige Menschen an einem Check point erschossen worden, so ein geistig behinderter junger Mann, der irgendwelche auffälligen Geräusche machte. Oder jetzt wurde in der internationalen und in der deutschen Presse berichtet, dass am Donnerstag nach Pfingsten in Hebron drei 16-19 jährige Betschüler vermisst wurden. Ohne irgendeinen Beweis wurde von der israelischen Regierung behauptet, dass das eine Entführung der Hamas sei. Ganz Hebron wurde vom Militär abgesperrt, über 300 Palästinenser, darunter auch Abgeordnete des israelischen Parlaments wurden festgenommen, mehrere Nächte lang wurde der Gaza Streifen von der israelischen Luftwaffe beschossen. Mindestens ein palästinensischer Jugendlicher wurde in einem Dorf nahe Hebron erschossen. Das ist zionistisch-faschistischer Terror gegen das palästinensische Volk und ihre Vertreter. Seit 2005 gab es keine Selbstmordanschläge in Israel mehr, viele Palästinenser suchen einen anderen Weg, um in Frieden mit ihren muslimischen und jüdischen Nachbarn leben zu können. Die Resignation ist groß, auch durch die vielfältige Traumatisierung durch die Unterdrückung. Fast jede Familie hat Verluste zu beklagen. Viele Palästinenser haben ihr Land verlassen, die die bleiben, fühlen sich durch den engen Familienzusammenhalt und den Glauben gestützt. Mut machen solche Projekte wie das Traumahilfezentrum, als Hilfe zur Selbsthilfe, und das Eintreten für die internationale Anerkennung und Solidarität. Unsere ganze Reisegruppe war sehr bewegt auch mit der Verpflichtung unser Erlebtes weiter zu berichten, die Solidarität mit dem palästinensischen Volk und ihrem Kampf weiter zu tragen. Dies muss gerade gegen das „Totschlagargument“ des angeblichen Antisemitismus besonders in Deutschland erkämpft werden. Jede berechtigte Kritik an der Regierungspolitik Israels ist wichtig und hat rein gar nichts mit Antisemitismus zu tun, das wurde uns allen durch die Erlebnisse klar. Erschüttert waren wir auch, zu hören, dass die Israelische Regierung mit Unterstützung der USA und anderer westlicher Staaten, diese brutale Politik der Unterdrückung durchführen kann, sozusagen unter den Augen der Weltöffentlichkeit.
Im Buch von Stefan Engel wird ausgeführt:“Nationale Befreiungskämpfe wie die des kurdischen oder palästinensischen Volks, die auch brutalste Unterdrückung nicht ersticken konnte, fordern die Solidarität aller antiimperialistischen Kräfte und besonders der Jugend heraus. Sie bleiben Stachel im Fleisch des imperialistischen Weltsystems und Ermutigung für alle Freiheitskämpfer.“(Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution,S.531)
Eine unserer hervorragenden, sehr herzlichen Reiseführerinnen war übrigens Frau Faten Mukarker. Sie ist vielen bekannt durch ihr Engagement für die Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen und zahlreiche Veranstaltungen in Deutschland unter anderem mit christlichen Gemeinden oder dem Frauenverband Courage.
Tübingen, Juli 2014
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