Es waren etwa 600 Besucher zur Veranstaltung gekommen, darunter auch viele Frauen. Sie wollten mehr über den großen Bergarbeiterstreik 1997 in Deutschland erfahren und welche Lehren es daraus für heute gibt.
Mit einem vielseitigen Nachmittagsprogramm wurde die Veranstaltung gestartet. Wir Bergarbeiterfrauen sangen gemeinsam mit dem Ruhrchor das Lied „An die tapferen Bergarbeiterfrauen“ von dem Bergarbeiterdichter Friedrich Kämpchen.
Am Abend dann startete die mitreissende Revue, in der Stefan Engel, öffentlicher Sprecher der Bergarbeiterzeitung Vortrieb und ehemaliger Parteivorsitzender der MLPD zusammen mit Kinder und Jugendlichen die Revue moderierte. Aktive und ehemalige Bergleute und auch Bergarbeiterfrauen trugen mit über 50 Zeitzeugenberichten zu dieser fulminanten Revue bei. Mit Filmszenen, kleinen Power-Point-Vorträgen, Musik und Liedern wurde der Bergarbeiterstreik wieder lebendig. Zum Abschluss wurde gemeinsam getanzt. Umrahmt wurde die ganze Veranstaltung mit Info – und Essensständen. Unser Stand war liebevoll von unseren Bergarbeiterfrauen aufgebaut und im Mittelpunkt stand unsere Spendensammlung für die ukrainischen Bergarbeiterfamilien.
Dieser Streik der Bergleute sollte nach bürgerlicher Geschichtsschreibung niemals stattgefunden haben! Was für eine unwürdige Geschichtsverfälschung. Damit räumte die Veranstaltung rigoros auf. Das Material, das gesammelt wurde, die Berichte der Zeitzeugen bewiesen, dass die Bergleute mit ihrem Streik 1997 den Energiemonopolen und der Kohl-Regierung eine empfindliche Schlappe beigefügt haben. Sie kämpften gemeinsam, entschlossen und selbstlos. Wir Bergarbeiterfrauen trugen einen Bericht der Tochter einer Bergarbeiterfrau vor, die ihre Befürchtungen hatte, was denn ihr Mann da so macht, ob er wegen der Beteiligung an dem Kampf gekündigt wird, ob das Geld bei einem Streik noch reicht. Aber ihre Klassensolidarität siegte. Eine wichtige Lehre war auch der Austausch mit anderen Frauen. Sie brachten Brötchen und Kaffee zum Zechentor.
Die Revue ordnete den Streik in die kämpferische und revolutionäre Tradition der Bergleute ein:
- während des 1. Weltkriegs 1918 streikten die Bergleute auf 31 Zechen im Ruhrgebiet für einen Friedensschluss.
- 1920 fegten im Ruhrgebiet 100.000 Bergleute und Stahlarbeiter den faschistischen Putsch unter Wolfgang Kapp hinweg. Dazu bewaffneten sie sich in der 'Roten Ruhrarmee'.
- auch unter der faschistischen Herrschaft gab es immer wieder Streiks auf den Zechen und Proteste der Bergleute.
Die Veranstaltung machte deutlich, dass die Fackel der kämpferischen und klassenkämpferischen Bergarbeiterbewegung in Deutschland weiter getragen wird auch nach der Stilllegung der letzten beiden Steinkohlenzechen. Karl Marx sagte: „Von Zeit zu Zeit siegen die Arbeiter. Das eigentliche Resultat ihrer Kämpfe ist nicht der unmittelbare Erfolg, sondern die immer weiter um sich greifende Vereinigung der Arbeiter“. Noch gibt es in Deutschland rund 10.000 Kumpel im Kalibergbau; in Ostdeutschland werden Erzgruben neu aufgemacht. Es gibt über 20.000 Bergleute im Braunkohlebergbau in Deutschland - und es gibt über 20 Millionen Bergleute weltweit!
Unsere Frauen aus Asturien/Spanien, die wir Bergarbeiterfrauen eingeladen haben, überbrachten Grüße der spanischen Bergleute und ihrer Familien. Am Ende der Veranstaltung übergaben wir die Spenden, die wir für die im Streik stehenden Bergarbeiterfamilien in der Ukraine gesammelt haben an Dimitri aus der Ukraine.
Wichtige Lehren, die wir aus dieser Veranstaltung gezogen haben, sind:
- Wir müssen noch viel mehr werden, wenn wir unsere Visionen von einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung und die Einheit von Mensch und Natur verwirklichen wollen. Organisiert euch im Frauenverband Courage!
- Wir Bergarbeiterfrauen sind Teil der Bergleute, die sich heute auf länderübergreifende Kämpfe gegen die internationalen Rohstoffkonzerne vorbereiten. Daher ist der Kontakt zu den Bergarbeiterfrauen in aller Welt eine bedeutende Sache.
- Die Veranstaltung hat gezeigt, wie wir einen Kampf vorbereiten und durchführen müssen gegen Arbeitsplatzvernichtung, gegen die Rechtsentwicklung, um Frauenrechte usw. und für eine lebenswerte Zukunft!
- Die Veranstaltung hat auch gezeigt, wie lebendig Kinder und Jugendliche sich an den großen Bergarbeiterstreik 1997 herangewagt haben. Wie dieser nicht zur leblosen Geschichte wird, sondern die lebendigen Erfahrungen von der Jugend aufgesogen werden und mit Hilfe der Zeitzeugen verarbeitet werden.
Glück Auf
Was war 1997? Die Geschichte des großen Bergarbeiterstreiks in Kürze:
Die Bergarbeiterzeitung 'Vortrieb' schreibt: „Am 7.3.1997 begann der größte Bergarbeiterstreik in der Nachkriegsgeschichte mit 130.000 Leuten – gegen den Willen der Energiemonopole und der rechten Gewerkschaftsführung um Berger. Die Kumpel waren die Herren des Geschehen geworden. Selbstbewusst, mutig und einfallsreich ließen sie sich nicht davon abbringen, den Streik zu Ende zu führen. Und nicht nur das. Sie setzten noch einen drauf und forderten: „Der Dicke muss weg!“ (Gemeint war der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl). So leiteten sie den Anfang vom Ende der Kohl-Ära ein.“
Der Kampf wurde erbittert und mit voller Entschlossenheit geführt. Blockaden von Autobahnen, zwei Häfen, des Flughafen Dortmunds und schließlich der Bannmeile in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn. Ein Kumpel aus dem Saarland berichtet, dass sie damals ganze vier Tage die beiden wichtigsten Autobahnen des Saarlands besetzten und Kohleladungen darauf kippten. Die Veranstaltung würdigte die Avantgarde der deutschen Arbeiterbewegung und kritisierte gleichzeitig die unterwürfige Klassenzusammenarbeitspolitik der rechten Gewerkschaftsführung mit der RAG, die in einem Geheimvertrag den Kumpels die Lasten des Streiks durch sechs unbezahlte Samstagsschichten aufbürdeten. |
Zeitzeuginnenberichte von 1997
Ältere Frau aus Bottrop:
Richtig zuerst machte ich mir Gedanken, wie ist das mit dem Streik. Es geht ja darum, dass du kochen musst, einkaufen, Haushalt und Miete bezahlen, Kleider kaufen. Wenn die streiken, dann muss man ja mit Ausfall des Lohnes rechnen. War ja nicht so, dass von Anfang an die Gewerkschaft da oben das wollte und die hat auch nichts gemacht. Aber ich habe dann gedacht, dass sind ein oder zwei Wochen und es geht doch um mehr, dass die Kinder auch einen Arbeitsplatz mal brauchen. Wir konnten uns ja nicht vorstellen, dass wenn der Vater, der Opa im Bergbau waren und sind, die Kinder nicht da anfangen. Heute ist das ja anders. Deshalb habe ich mich dann auch entschieden, meinen Mann zu unterstützen, dass er sich am Streik beteiligen kann. In der Zeit habe ich selbst einen kleinen Job als Putzfrau gehabt und konnte selbst nicht soviel beitragen, aber ich habe ihm den Rücken freigehalten und keinen Stress gemacht, wenn er später kam oder ich ihn länger nicht gesehen habe.
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Jüngere Frau aus Bottrop:
Ja, ich weiß noch, dass es für meine Mutter nicht so leicht war 97. Aber sie stand wie eine eins hinter ihm. Obwohl sie später schon mal sagte, dass sie angst hatte, ob das so gut ausgeht. Wenn das Geld für eine Woche fehlt, ob dann die Haushaltskasse über den Monat reicht. Sie hatte auch gehört, dass manche Kumpel von Betriebsräten und ihren Steigern unter Druck gesetzt worden sind. Das hatte ihr auch Angst gemacht. Ob er nicht vielleicht seinen Arbeitsplatz verliert. Aber ihr habe immer das Gespräch mit anderen Frauen geholfen und der Gedanke, dass es ein Kampf für unsere Kinder ist und für die Zukunft. Sie habe dann auch mal Kaffee und Brote zum Pütt gebracht. Da hätten sich die Bergmänner sehr gefreut und sie gleich in die Mitte genommen. Das war gut für das Gefühl, hat sie gesagt. Noch später sagte sie oft, wir bekommen nichts geschenkt, wir müssen uns alles erkämpfen. Obwohl sie selbst eher eine ängstliche Frau war und viel Mut zusammennehmen musste, um nochmal auf die Straße zu gehen. Trotzdem war sie stolz, dass sie zu den Leuten vor dem Tor gegangen ist.
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Interview mit einer Bergarbeiterfrau aus Mühlheim
Bericht zum Herunterladen und Ausdrucken
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