Zum NSU-Prozess in München Drucken

Es geht nicht "nur" um 10 Morde!
Seit dem 6.5.2013 läuft der Prozess gegen Beate Zschäpe und vier weitere Mitangeklagte. Mit dem vor Prozessbeginn zermürbenden Gerangel um Plätze für die vor allem türkischen Medien im Gerichtssaal begann er endlich am 4.Juni.  Doch die Verschleppungstaktik setzte sich in den Antragsdiskussionen der Täteranwälte fort. Es wird für die Angehörigen schwer möglich, den gesamten Prozess zu verfolgen. Ihnen und ihren Anwälten sowie der Öffentlichkeit liegt eine vollständige Klärung der Hintergründe am Herzen. Fast einen Monat nach Prozessauftakt erst begann die Zeugenvernehmung. Anträge der Opferanwälte auf Ausschluss von Neonazis vom Prozess werden von Richter Götzl abgelehnt trotz einer am 8. Prozesstag ins Gespräch gebrachten Liste von 500 Mitwissern – alles potentielle Zeugen, die normalerweise sich nicht im Gerichtssaal befinden dürfen.
Untersuchungsausschüssen verschiedener Bundesländer nannten ihre Vertuschung „Ermittlungspannen“. Besonders beschämend ist, dass die Familien der Opfer ein Jahrzehnt allen möglichen Verdächtigungen ausgesetzt worden sind. Alles nur aus Unfähigkeit oder durch Zufall? Zweifel wachsen!
In München protestieren seit Monaten Antifaschistinnen aus ganz Bayern gegen Nazis und machen deutlich: das antifaschistische Bewusstsein, vor allem bei den jungen Menschen, ist hoch. Feige Anschläge der Neofaschisten wie auf den bayerischen Flüchtlingsrat, auf eine Wohngemeinschaft mit aktiven Antifaschisten oder auf Büros von Opferanwälten sowie dreistes Auftreten im Gerichtsaal sind von ausdauernden Protesten begleitet. Im Blog „NSU Watch“ kann die interessierte Öffentlichkeit alle Prozesstage nachlesen.
Offensichtlich soll der gesamte Prozess nicht nur die Nebenkläger zermürben. Steckt dahinter die Vertuschungstaktik gegenüber der Verbindung zwischen Geheimdiensten und Polizeiapparat. Die NSU-Terroristen werden als kleine Gruppe mit einem Freundeskreis dargestellt. Einzeltäter? Das kennt man in München  seit 1980, wo immer noch die Einzeltätertheorie in Bezug auf das Oktoberfest-Attentat nicht offiziell zerschlagen ist. Allein die Zeugenaussage von Carsten S. vom 8.Juni macht deutlich, welchem Terror aus Einschüchterung zahlreiche Städte um Jena ausgesetzt gewesen sind. Zweifel wachsen weiter!
Sie berühren viele Fragen: Könnte es sein, dass die NSU-Terroristen und ihre Helfer Teil einer Strategie zur Einschüchterung der Menschen ist? Die faschistischen Mörderbanden sind aggressivst antikommunistisch. Ist das nicht irgendwann mal nützlich?
Eines ist sicher: Der Verfassungsschutz schützte nichts, nicht die Angehörigen der 10 Opfer, nicht die Opfer der Raubüberfälle und Sprengstoff-Anschläge. Im Gegenteil: der Verfassungsschutz war offenbar verstrickt - auch das gilt es zu vertuschen. Bei der Verfolgung unseres Frauenverbandes Courage dagegen legte er eine andere Akribie an den Tag. Kein Zufall!
Arbeiten wir in den Courage-Gruppen an der antifaschistischen Aufklärung vor allem der Jugend, treten wir weiterhin ein für das Verbot aller faschistischen Organisationen und für die Auflösung des Verfassungsschutzes ein. Er ist angezählt!
Brigitte Ziegler, Bundesvorstand

Nebenkläger-Rechtsanwalt Scharmer erklärte am 12. Juni:
“Die Bundesanwaltschaft versorgt die Verfahrensbeteiligten offensichtlich nur scheibchenweise mit Informationen. Sie sortiert dabei selbst, was sie für relevant hält und ignoriert klare Anforderungen der Verfahrensbeteiligten. Bemerkenswert ist, dass nach Bereitstellung der so genannten Liste mit 129 Personen aus dem Umfeld des NSU von der Bundesanwaltschaft selbst kein Hinweis erfolgte, dass diese Liste längst überholt ist. Die Erklärung, es sei explizit “nur” die “129iger-Liste” angefordert gewesen, ist vorgeschoben. Tatsächlich ging es um den Inhalt, nicht um Zahlen. Das war jedem im Saal klar. Es stellt sich die Frage, ob und ggf. welche Aktenbestandteile die Bundesanwaltschaft bislang zurück hält oder in Spurenakten gewissermaßen vergraben hat. Unserer Mandantin geht es um maximale Aufklärung. Ein solches Verhalten der Anklagebehörde schafft ggf. unnötiges Misstrauen. (Protokoll 8. Verhandlungstag – 11. Juni 2013, NSU-Watch)