Reisebericht: Besuch bei den Bergarbeiterfrauen und Familien in Asturien (November 2016) |
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Die Reise fand statt vom 21.-27.11.2016 aufgrund einer Einladung von den “Mujeres del Carbón en lucha” (Frauen der Kohle im Kampf – Bergarbeiterinnen und Bergarbeiterfrauen) zu ihrer ersten „Internationalen Frauenkonferenz für die Gleichheit bzw. auf „europäischem Niveau“. Ihr Erkennungszeichen ist das schwarze T-Shirt mit ihrem Logo. Sie haben mutig und unerschrocken gegen die Zechenschließungen gekämpft – haben Demos organisiert, sind 2012 mit nach Madrid marschiert, haben im Parlament lautstark protestiert, bis Sicherheitskräfte sie „vorsichtig“ raus beförderten, haben Straßensitzblockaden durchgeführt und vieles mehr. Sie gehören zum Netzwerk der Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen und waren vier Mal bei den Europa-Konferenzen dabei. ![]() Asturias ist/war eine typische Bergbauregion Durch den Besuch in Asturien wurde sehr deutlich, welche Bedeutung Bergarbeiter/innen (und Metallarbeiter/innen) haben im Kampf um Arbeitsplätze und für die internationale Koordinierung der Zusammenarbeit auf dem Weg zur Befreiung der Frau. Durch ihre Kämpfe und die ihrer Großeltern, Eltern um würdige Arbeitsplätze und soziale Errungenschaften sind sie von Mut und Entschlossenheit geprägt. Ganze Generationen kennen Ausbeutung und Unterdrückung und leisteten Widerstand, besonders während des spanischen Bürgerkriegs gegen Franco. Die ganze Region ist durch Kohlebergbau und Erzbergbau entstanden. Nach und nach haben sich immer mehr Schwer-, Metall-, Chemie- und Energieindustrie angesiedelt, wodurch viele Städte in den Tälern und Umgebung entstanden. Die Landwirtschaft spielt in Asturien eine größere Rolle, da aufgrund des feuchten Klimas und mäßiger Temperaturen Agrarprodukte produziert werden können, die in anderen Regionen Spaniens nur mit höherem Aufwand angebaut werden können. Daneben gibt es (hauptsächlich inländischen) Tourismus. Die soziale Lage der Familien Ende 2015 hatte Asturien 1.051.229 Einwohner und 78 Kommunen. Durch die Zechenschließungen und Vernichtung der Arbeitsplätze seit den 1970er erleiden die Familien viele Entbehrungen. Heute müssen ganze Familien mit 420 € im Monat überleben, aber diese Hilfe gibt es nur für eine kurze Zeit. Die Arbeitslosenquote liegt zwischen 30-40%, die Armut steigt drastisch an. Die NGO Expoacción organisiert schnelle und praktische Familienhilfe mit zwei Second-Hand-Läden in den Städten Gijón und Mieres, in denen verarmte Menschen Kleider, Spielzeug und Baby-Sachen sehr günstig einkaufen können. Außerdem geben sie an arme Frauen und Familien kostenlose Lebensmittel aus, die massenhaft von der Bevölkerung und anderen Läden gespendet werden. Herzlicher Empfang und interessante Erfahrungen Wir wurden spät abends von einer wunderbaren Delegation in Empfang genommen, bestens versorgt und hatten immer eine gute Begleitung. Aber auch die Bürgermeister/innen von Gijón, Mieres, Sotrondio, San Martín del Aurelio und Langreo empfingen uns sehr freundlich. Durch die Besuche in zwei Museen erfuhren wir viel von ihrer Geschichte. Die Frauen meinten, eine Organisation wie Courage mit ähnlichen Prinzipien aufzubauen, wäre das Beste, aber es sei dort nicht möglich. Wir berichteten von unserer langjährigen praktischen Kleinarbeit und Überzeugungsarbeit in Deutschland, ohne die es Courage so auch nicht geben würde. Bei einer Konferenz mit ca. 80 Gewerkschaftern diskutierten wir über die 2. Internationale Bergarbeiterkonferenz und die Ergebnisse der 2. Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen sowie die organisierte, überparteiliche Arbeit des Frauenverbands Courage. Die Teilnehmer/innen zeigten großen Respekt für diese wichtige, „schwierige“ und ehrenamtliche Arbeit. Zum Schluss bat uns ein Vertreter der Gewerkschaft, das Lied Santa Bárbara zu singen, was wir dann alle zusammen gesungen haben. Viele Einzelgespräche führten wir mit den „Mujeres del Carbón“. Dadurch lernten wir uns besser kennen, aber auch ihre besonderen Erfahrungen und ihre Kraft. Ob sie zur 2. Bergarbeiterkonferenz fliegen können, darüber konnten sie sich (noch) nicht einigen. Der Besuch des Schachts Fortuna in Mieres – am Denkmal gegen das Vergessen – ging uns persönlich sehr nah. Während des Bürgerkrieges 1937 wurden zwischen 300-400 Widerstandskämpfer/innen dort in den 80 m tiefen Schacht hineingeworfen, auch viele schwangere Frauen. Sie alle wurden qualvoll lebendig begraben. In Erinnerung an ihren mutigen Kampf stimmten wir das Lied „Santa Bárbara“ an. In St. Martín del Rey Aurelio nahmen wir an einer kleinen Aktion gegen Gewalt an Frauen vor dem Rathaus teil und am 25.11., dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, an der „feierlichen“ Kundgebung in Mieres. Dort gab es keine Reden, es wurden die Namen der Frauen vorgelesen, die durch ihre Ex-Partner 2015-2016 getötet wurden. Deutlich wurde, dass in Spanien/ Asturien die häusliche Gewalt durch Ehemänner bis hin zu Frauenmorden durch Ex-Ehemänner noch relativ stark verbreitet ist. Zum 25.11. haben Rathäuser, Bürgermeister /innen, Gleichstellungsfrauen und selbst Hotels und Gaststätten Werbematerial herausgegeben gegen Gewalt an Frauen (Lesezeichen, lila Papp-Schleifen, Plakate, Servietten). Abschließend fand die Frauenkonferenz statt Der Beschluss der EU, die Zechenschließungen durchzuziehen, sowie die Rolle der UNO im Zusammenhang mit der Situation der Frauen, ist den Menschen ein Dorn im Auge. Eine Besucherin meinte empört: „Ich beantrage die Abschaffung der UNO, weil sie völlig versagt hat“. Viel Wut zeigten die Frauen, da durch die sozialen Probleme die Gewalt an Frauen zunimmt. Interessant war der Bericht von Mari Carmen aus Barcelona, die bei Continental in der Produktion arbeitet, über die 2017 geplante Schließung des Automobilbetriebs Delphi und deren Kämpfe und Forderungen. Sie war die einzige spanische Delegierte bei der 2. Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen in Nepal. Gegen eine negative oder resignative Tendenz von einzelnen Konferenzteilnehmerinnen, „Frauen haben keine Fortschritte gemacht“ oder „bin enttäuscht, weil nur wenige Frauen teilnehmen“, bestärkten wir ihren positiven Anfang, sich zu vernetzen und die Bedeutung der systematischen Arbeit, dran zu bleiben, damit aus einem kleinen „Schneeball“ ein großer werden kann. Mehrfach bedankten sich Frauen für unsere Teilnahme und betonten, wie wertvoll unsere Erfahrungen aus Deutschland für sie sind. Mari Carmen sagte, dass sie viel gelernt habe von den Courage-Frauen und ihrer guten Organisationsarbeit: „Die internationale Vernetzung kostet viel Kraft, aber schließlich siehst du den leuchtenden Stern!“ Angélica Urrutia, Hattingen und Linda Weißgerber, Wuppertal Bericht zum Runterladen
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