Nachlese zum G20-Gipfel – nicht für uns und nicht in unserem Namen! |
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Es hat sich bewahrheitet: Das G20-Treffen am 7. und 8. Juli in Hamburg war inhaltlich eine Nullnummer. Es spricht nicht gerade für die Mächtigsten dieser Welt, wenn fast niemand einen ernsthaften Beitrag zur Lösung der brennenden Probleme der Weltbevölkerung erwartet hat. Der Protest gegen die Verursacher und Ursachen dieser Probleme war völlig berechtigt. Courage-Frauen beteiligten sich an der Demonstration von 78.000 Menschen unter dem Motto: grenzenlose Solidarität statt G20. Sie ließen sich auch durch dass massive Auftreten der Polizei an den Vortagen, die Schikane und die Hetze im Vorfeld nicht abschrecken.
Die Zerstörungen im Schanzenviertel in Namen des Protests gegen G 20-Treffen lehnen wir Courage-Frauen entschieden ab. Abgefackelte Autos und geplünderte Läden schrecken viele Menschen ab, die die Proteste für richtig halten und liefern die nachträgliche Rechtfertigung für die Kriminalisierung der berechtigten Proteste, für die gewalttätigen und provokativen Polizeieinsätze und die Einschränkung des Versammlungsrechts. Oder warum schritt die Polizei so lange nicht ein? Wir verlangen die lückenlose Aufklärung der Vorfälle und wer dahinter steckt! So ist von den Neonazis keine Rede mehr, die erwiesener Maßen in Hamburg mitmischten (Hamburger Morgenpost, 10.07.17, Junge Welt 12.07.17). Stattdessen wird eine regelrechte Hetze gegen alle „linken“ Kräfte betrieben. Diejenigen werden zur Gefahr erklärt,die die kapitalistischen Verhältnisse nicht hinnehmen wollen, die nach Alternativen suchen, die eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung von Mensch und Natur wollen, die von den Bedürfnissen der Mehrheit der Menschen ausgeht und nicht vom Profit- und Machtstreben einer kleinen Minderheit. Die tatsächlichen „Gefährder“, die verantwortlich sind für die mutwillige Zerstörung der natürlichen Umwelt, für Armut, Hunger, Krieg, verschärfte Ausbeutung und Unterdrückung auf der ganzen Welt werden aus der Schusslinie genommen. Denn die inhaltliche Diskussion über Ursachen und über wirkliche Zukunftsfragen ist nicht erwünscht. Sie verschwand in einer Medienkampagne, angestoßen vom reaktionärsten Teil unserer Politiker. Die Bevölkerung soll im Wahlkampf darauf eingestellt werden, den weiteren Abbau demokratischer Rechte zu akzeptieren – sorgen wir dafür, dass sie damit nicht durchkommen! Wir Courage-Frauen diskutieren: was das G 20 Treffen mit uns zu tun hat, wo sich Leute wie Ivanka Trump, die Textilarbeiterinnen in Indonesien und China auf übelste Weise ausbeutet, zu Frauenrechtlerinnen ernannten. Daß das Thema Frauen überhaupt auf einem G20-Gipgel aufgegriffen wurde, hängt mit dem gewachsenen Frauenbewußtsein auf der ganzen Welt zusammen. Aber was haben sie den Frauen zu bieten? Der Deutsche Frauenrat und der Verband deutscher Unternehmerinnen, die Organisatorinnen des W20-Dialog-Gipfels von Frauen, äußern sich in einer Pressemitteilung sehr erfreut über die Ergebnisse des Gipfels. „Nun haben unsere Anliegen Eingang in die Abschlusserklärung des diesjährigen G20-Gipfels erhalten. Die Verabredungen der G20 sind durchaus zufriedenstellend. Doch muss die G20 diese Ziele noch stärker vom Rand ins Zentrum ihrer Agenda rücken und mit entsprechenden Maßnahmenplänen verbindlich machen.” Diese Anliegen haben allerdings wenig mit dem zu tun, was die Lage der Masse der Frauen auf der Welt verbessern würde. Kein Wort dazu, dass Millionen Frauen und ihre Familie in Ostafrika vor dem Hungertod stehen, weil ihr Land auf Grund der Erderwärmung durch den Einsatz fossiler Energien nicht mehr für die Landwirtschaft geeignet ist, aber keinerlei wirksame Maßnahmen dagegen ergriffen werden oder dass internationale Konzerne aus purem Profitinteresse Lebensmittel produzieren und verkaufen, die uns krank machen oder dass Millionen auf der Flucht vor Krieg und Gewalt sind oder dass selbst in einem reichen Land wie Deutschland die Armut und insbesondere die Armut von Alleinerziehenden, Niedriglöhnerinnen und Rentnerinnen wächst. Kein Wort davon, dass sich Frauen selbstbewusst dieser Politik entgegenstellen, sie dafür aber insbesondere in reaktionären und faschistischen G20-Staaten zunehmend gewaltsam unterdrückt werden und sich dennoch ihre politische „Teilhabe“ auf der Straße erkämpfen wie am 8. März in der Türkei. Als Ausweg für die Frauen werden Maßnahmen angepriesen, um „den Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Eigentum, zu hochwertiger Beschäftigung und zu Finanzdienstleistungen“ zu verbessern. „Um weibliches Unternehmertum stärker zu unterstützen“ soll der „Zugang von Frauen zu Kapital, Märkten und technischer Hilfe“ gefördert werden. „Weibliches Unternehmertum fördern“ ist kein Ausweg für die Mehrheit der Frauen. Mit dem Zugang zu Krediten Frauen abhängig zu machen oder sich am Einsatz der Arbeitskraft anderer Frauen zu bereichern ist kein Schritt in die Gleichberechtigung. Heike Löschmann von der Hinrich-Böll-Stiftung, die den G20-Prozess seit vielen Jahren beobachtet, hat Zweifel: "Es ist gut und wichtig, dass mehr Frauen am Erwerbsleben teilhaben. Aber wir müssen uns dabei sehr genau anschauen, was für eine Art von Arbeit das ist." Das Thema Gender Pay Gap, also die schlechtere Bezahlung von Frauen im Vergleich zu Männern, sei bei den bisherigen Verlautbarungen zum diesjährigen Gipfel gar nicht erst auf die Tagesordnung gekommen. "Dabei kommt es nicht nur auf die Zahl der Arbeitsplätze an, sondern auch auf die Bezahlung." Wenn es nur darum gehe, mehr Frauen als billige Arbeitskräfte zu gewinnen, sei man dem Ziel gleichberechtigter Teilhabe kein Stück näher, sondern leiste stattdessen Ausbeutung Vorschub. "Die neu geschaffenen Jobs müssen vertraglich abgesichert sein, es muss vernünftige Arbeitszeiten geben, damit nicht insbesondere junge Frauen und Mädchen 12-14-Stunden-Schichten schieben mit hohen Risiken für ihre Gesundheit." Parallel dazu müssten Möglichkeiten für eine bezahlbare Kinderbetreuung geschaffen werden, damit es - insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern - nicht zu einer Doppelbelastung von Frauen komme.“ (Tagesspiegel, 7.7.2017)
Brigitte Ziegler, Bernadette Leidinger-Beierle Courage-Bundesvorstand Dokumentiert:
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